Der Untergang der Ästhetik des Widerstands, wie sie in den 1970er Jahren auch in die politische Bildung gewachsen war, im Rückschritt der Kohl-Merkel-Zeit und im #Schulwesen:
Von der Wiederbelebung der Aufklärung zur reaktionären Wende in der Kohl-Merkel-Zeit, auch in den linken & grünen Kreisen in deren Karrieren-Professionalisierung: Theater der Unterdrückten von Augusto Boal in der dt. und europ. Bildungs- und #Theaterszene:
Überflug zum #Pluriversum der weltweiten Umweltszenen #AugustoBoal
Teil eines Buch-Beitrages für den internationalen Austausch der Pluriversum-Bewegungen, wie sie seit zwei Jahren in der Uni Bonn begonnen worden war: Ethik in der Philosophie im Center for Life Ethics/Hertz Chair TRA 4 an der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Die Ästhetik des Widerstands
Die Ästhetik des Widerstands, der Roman von Peter Weiss, war eine wichtige Grundlage für die neue Geschichtsarbeit, wie sie in den 1970er Jahren begonnen in den 1980er in Geschichtswerkstätten und mit Vereinen und einer Zeitschrift fundiert wurden: Das Beschönigen der Kirchen und der Politik, das Schweigen der Eltern und Vorfahren, der Verlust der Vorgeschichte in der Scham über das Ende:
Wiederaufbau und Kalter Krieg
Demokratisierung war ein Beginn in den Jugendverbänden der amerikanischen Zone, selbstbestimmte demokratische Strukturen aufzubauen, aber bald wuchs die politische Kontrolle durch Kultusministerium und die Linie des Antikommunismus, die keinen Frieden, sondern Fronten wollte: Wiederbewaffnung bedeutete Verbot von Demonstrationen und linken Parteigruppen, später Berufsverbote für Mitglieder von VVN, DFG, KPD, DKP, …
Trotzdem war eine Bewegung für Ästhetische Bildung, Kunstunterricht und Kunsttherapie entstanden, der eigenen Wahrnehmung mehr zu trauen und die Freiheit der Kunst auch gegen politische Bevormundung zu verteidigen.
Zeige deine Wunde
Eines der umstrittendsten Kunstwerke steht heute etwas trocken in der Ausstellung des Lenbachhaus, eine Installation von Joseph Beuys, aus „2 Werkzeuge (Schepser), 2 weiße Tafeln, 2 doppelzinkige Forken mit Tuchfetzen auf 2 Schieferplatten stehend, 2 Leichenbahren …“ die heftigste Reaktionen in München hervorrief, weil sie indirekt die Scham der verlorenen Erregung, der Ideen, der Kinder, Verwandten und der Untaten signalisierten, die von Justiz und Medizin, von Politik und Polizei in jenen Jahren noch vollkommen verdrängt und zerredet worden waren:
München hat als Stadt der Finanziers der Nazis und „Hauptstadt der Bewegung“ mehr als 70 Jahre gebraucht, aus den verschütteten Ruinen des „Braunen Hauses“ ein NS-Doku-Zentrum zu gestalten, das nun immerhin vor allem der Opfergruppen gedenkt.
Baron Finck und sein arisierend gewachsenes Bankhaus, neben Hitler bei der Grundsteinlegung des „Haus der dt. Kunst“, für das er die Spenden eingesammelt hatte: Der Enkel in der Schweiz fördert nun die AfD, die FDP für das damalige Mövenpick-Mehrwertsteuer-Gesetz … die Tradition steht am Lenbachplatz.
Ästhetik der Unterdrückten
Augusto Boal hatte sein Alterswerk so genannt, in dem er seine weltweiten Erfahrungen mit dem Theater der Unterdrückten zusammenfasste: Am 2. Mai 2009 hatte er es abgeschlossen, 12 Jahre, nachdem Paulo Freire gestorben war, den wir in Toronto 1979 beim internationalen Treffen des „Theatre of the Oppressed“ mit Gruppen aus Indien, Japan, Europa, Süd- und Nordamerika betrauert hatten.
Beim Besuch in München 1994 hatte Paulo Freire das Theater der Unterdrückten als „glücklichste Umsetzung seiner Ideen bezeichnet, im weltweiten Kontext ist seine Pädagogik der Unterdrückten in den verschiedenen Ausprägungen in Büchern und der Weiterentwicklung der Kritischen Theorie bekannt:
„Since the publication of the English-language edition in 1970, Pedagogy of the Oppressed has had a large impact in education and pedagogy worldwide,[60] especially as a defining work of critical pedagogy. According to Israeli writer and education reform theorist Sol Stern, it has „achieved near-iconic status in America’s teacher-training programs“.[61] Connections have also been made between Freire’s non-dualism theory in pedagogy and Eastern philosophical traditions such as the Advaita Vedanta.[62]
Paulo Freire defines critical consciousness as the ability to intervene in reality in order to change it.[3] Critical consciousness proceeds through the identification of „generative themes“, which Freire identifies as „iconic representations that have a powerful emotional impact in the daily lives of learners.“ In this way, individual consciousness helps end the „culture of silence“ in which the socially dispossessed internalize the negative images of themselves created and propagated by the oppressor in situations of extreme poverty. Liberating learners from this mimicry of the powerful, and from the fratricidal violence that results therefrom is a major goal of critical consciousness. Critical consciousness is a fundamental aspect of Freire’s concept of popular education.
In den europäischen Bewegungen ist die Bewusstseinsbildung nicht wirklich verankert: In Bayern hat der alte Antikommunismus der CSU die Bildungsarbeit an den Hochschulen und in der Lehrer-Aus- und Fortbildung mit Kritischer Theorie in „Sprachregelungen“ behindert, auch die Ecopedagogy ist hier nicht angekommen, denn die Umweltbildung speist sich hierzulande aus den braun-grünen Quellen des alten Naturschutzes, der die Kapital- und Machtverhältnisse nicht infrage stellen kann.
Die Ästhetik der Unterdrückten ist noch nicht ins Deutsche übersetzt, wird aber in Workshops vermittelt, die mit dem Forumtheater beginnen, die sehr vereinfachte Start-Version, an eigene Szenen von Ärger und Hoffnungslosigkeit, Scham und der Unterdrückung zu kommen, sie in Gruppen zu Szenen aufzustellen und daraus vielleicht eine Vorstellung für ein Publikum zu machen, das diese Szenen in seinen Ideen zu einem besseren Ende spielen kann.
Theater im Pluriversum
Unsere Schäden der Kolonialzeit – auch die Gewalt in unseren Familien und Kirchen, der weiter grassierende Militarismus, immer gerechtfertigt mit Entwicklung, Mission, Feindabwehr, haben unsere Zivilisation an ein Ende gebracht: Die Klimakatastrophe zwingt uns zu wirklichen Veränderungen, aber die Politik des Kapitals greift nach den alten Mitteln der Propaganda und Unterhaltung, die uns das Hirn weich machen sollen für weiteren Konsum: Das könnte für noch mehr Arten und uns tödlich werden.
Im Unterbewussten wachsen die Ängste und Irritationen, und die Politik und viel Psychotherapeuten wollen weitermachen wie bisher: Haben wir keine anderen Lösungen?
Bewusstseinsbildung – Ich hatte gedacht, wir hätten längst einen Artikel in Wikipedia geschrieben, oder ist er wieder verschwunden (worden)?
Internationale solidarische Selbstorganisation, statt auf Lösungen von oben zu warten: Über 100 Autor*innen aus aller Welt, zuerst in englisch und wohl auch in spanisch erschienen, nun in deutsch: Pluriversum. Ein Lexikon des Guten Lebens für alle – 2023 / ISBN 978-3-945959-67-1 / 326 Seiten. Das Buch ist auch als PDf-Datei unter agspak.de/pluriversum kostenlos abrufbar!
Hintergrund und Quellen
Die Ästhetik des Widerstands ist der Titel eines dreibändigen, um die eintausend Seiten umfassenden Romans von Peter Weiss, der in zehnjähriger Arbeit zwischen 1971 und 1981 entstand. Das Werk stellt den Versuch dar, die historischen und gesellschaftlichen Erfahrungen und die ästhetischen und politischen Erkenntnisse der Arbeiterbewegung in den Jahren des Widerstands gegen den Faschismus zum Leben zu erwecken und weiterzugeben. Zentral ist der Gedanke der zu erreichenden Einheit: zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten wie zwischen der künstlerischen Moderne und der Arbeiterbewegung. https://de.wikipedia.org/wiki/Die_%C3%84sthetik_des_Widerstands
Das Floß der Medusa, JEAN LOUIS THÉODORE_GÉRICAULT_-_La_Balsa_de_la_Medusa_(Museo_del_Louvre,_1818-19)
Von Théodore Géricault – Ursprung unbekannt, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17456087
Ästhetische Bildung: Eine Bewegung, wie sie aus der Pädagogischen Aktion in München zu verschiedenen Einrichtungen und bundesweiten Impulsen gewachsen war, die neben der Übung der Ausdrucksfähigkeit und Wahrnehmung auch politische Hintergründe entschlüsseln konnte.
Zukunftswerkstätten nach Robert Jungk, befreundet mit Peter Weiss und
Robert Jungk: Trotzdem: mein-leben-fur-die-zukunft
Denkende Felder: Bewegungen an den Hochschulen und in Verbänden um Gewerkschaften und Parteien, Arbeitsgemeinschaften im Wandervogel, Archive,
Arbeitsgemeinschaft sozialpolitischer Arbeitskreise AG SPAK: Verlag AGSPAK-Buecher: Kothari, Salleh, Escobar, Demaria, Acosta (Hg.) Pluriversum ISBN 9783945959671
Till Baumann: zu Augusto Boal: Herausgabe und Übersetzung der Übungen und Spiele für Schauspieler und Nicht-Schauspieler von Augusto Boal, aktualisierte und erweiterte Ausgabe, 2013 Suhrkamp Verlag
https://www.suhrkamp.de/buch/augusto-boal-uebungen-und-spiele-fuer-schauspieler-und-nicht-schauspieler-t-9783518464496 Forumtheater gemeinsam mit Bárbara Santos und Christoph Leucht:
KURINGA gemeinsam mit Pascal Kleßen u.v.a.: zukunftsmusik -beide Texte erschienen in: Visionen der Veränderung. Forumtheater nach Augusto Boal – Theorie, Entwicklungen, aktuelle Positionen und Perspektiven, herausgegeben von Simone Odierna und Janina Woll, Ulm 2021.
Ästhetik der Unterdrückten gemeinsam mit Bárbara Santos: SOM / RITMO in: Bárbara Santos: Percursos Estéticos: imagem, som, ritmo, palavra. Abordagens originais sobre o Teatro do Oprimido, São Paulo 2018.
gemeinsam mit Bárbara Santos: KURINGA and JANA SANSKRITI Aesthetics of the Oppressed – Sound/Rhythm in Badu (2016)
Kunst und Therapie gemeinsam mit Ilse Schimpf-Herken: Dimensionen der Kunst in der psychosozialen Arbeit in: Sinapius, Peter / Niemann, Annika (Hrsg.): Das Dritte in Kunst und Therapie, Frankfurt a.M. 2011.
in Kolumbien in spanischer Übersetzung erschienen: El „tercer espacio“ en el arte y la terapia. Dimensiones del arte en el trabajo psicosocial in: Praxis & Saber. Revista de Investigación y Pedagogía, Vol. 6 Núm 12, Julio-Diciembre de 2015, Tunja – Boyacá, Colombia.
https://artikusmuenchen.wordpress.com/2024/09/20/asthetik-der-unterdruckten/